Die
Gleissituation, die sich auf den Segmenten A8 bis A11 entwickelt,
erinnerte mich stark an einen sehr ähnlichen Gleisverlauf, den ich aus
meiner Jugend kenne, nämlich die sechsgleisige Strecke zwischen
Heidelberg und Mannheim-Friedrichsfeld (ist mittlerweile zurückgebaut).
Sie beginnt bei Heidelberg-Wieblingen beim dortigen Haltepunkt, der ein
Empfangsgebäude in Insellage hat. Direkt beim Haltepunkt überquert die
Verbindungsstraße Pfaffengrund-Wieblingen die Bahnlinie. Die
Fachwerkbrücke ist eine ziemlich genaue Nachbildung einer der vier
Brücken, die bis 1983 über die Bahnlinie und in Folge über die Autobahn
führten. Obwohl ich früher täglich über diese Brücken zur Schule
gefahren bin, konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr an das
Aussehen des Vorfluters erinnern. Meine eigene Fotosammlung und die
meiner Bekannten und Freunde weisen nur Fotos der Fachwerkbrücke auf,
und auch die nur während des Abrisses im März 1983. In Wieblingen ist
die Aufschüttung zwischen Brücke und Vorfluter durch das Empfangsgebäude
motiviert. In der Aufschüttung führt eine kleine Straße nach unten. Da
auf unserer Anlage an dieser Stelle ein Bahnhof oder Haltepunkt nicht
sinnvoll erscheint, habe ich die Motivation für die Aufschüttung einer
Situation nachempfunden, die es in Mannheim-Friedrichsfeld im
Eisenbahnkreuz gibt.
Wenn es irgendwo
etwas Platz zwischen den Gleisen gibt, was finden wir? Richtig,
Schrebergärten. Ich kann mich nicht erinnern, jemals auf einer
Modellbahnanlage Schrebergärten gesehen zu haben. Ich bin mit Sicherheit
auch nicht der Bestinformierte, was Modellbahnzubehör angeht, aber ich
konnte mich auch nicht erinnern, dass irgendein Hersteller jemals
Schrebergartengedöns angeboten hätte. Also die einschlägig bekannten
Fachgeschäfte abgeklappert, nix zu finden. Schrebergärten? Nie gehört.
Derweil gehören Schrebergärten zur Eisenbahn wie Chips und Bier zum
Fußballgucken. Viel eher jedenfalls als Stadthäuser oder Wohngebiete in
Stadtrandlage. So nach und nach wurde ich mir des Ausmaßes meines
Vorhabens bewusst: alles selber machen. Denn die Brücken, die ich bauen
wollte, gibt es natürlich auch nicht.
1.
Fachwerkbrücke. Das Vorbild weist im Gegensatz zu den meisten anderen
Fachwerkbrücken zwei Besonderheiten auf: Die Obergurte steigen zum
mittleren Segment hin leicht an und einseitig ist ein Rad- und Fußweg
angesetzt. Die Außenstreben sind so stark wie die Ober- und Untergurte
und mit diesen mittels gebogenen Blechen verbunden. Das sind, ebenso wie
das Geländer, Jugendstileinflüsse. Da ich auf keinen Bausatz
zurückgreifen konnte, sind alle Gurte, Streben, Pfosten, Knoten- und
Versteifungsbleche aus einzelnen Polystyrolstreifen (0,3 und 0,5 mm
stark) zusammengesetzt. Auf die L-Profile, mittels derer die Bleche beim
Vorbild zusammengenietet werden sowie auf die Nachbildung der etwa 28762
Nieten habe ich verzichtet. Der Boden der Brücke besteht aus 2 mm
starken Polystyrolstreben. Der Straßenbelag ist wie beim Vorbild
Kopfsteinpflaster mit einer Teerdeckschicht (Modell: Pappe), die wie
beim Vorbild einige Schlaglöcher hat. Das Brückengeländer habe ich bei
Laserfirstcut aus 240 gr-Papier lasern lassen. Meine Arbeit bestand
darin, eine maßstabsgetreue, CAD-lesbare dxf-Datei zu erstellen. Da das
Papier im Gegensatz zum Rest der Brücke auf Luftfeuchtigkeit reagiert,
musste ich es mit einem 0,3-mm-Stahldraht versteifen.
2. Vorfluter. Es
handelt sich um eine Standard-Trogbrücke mit außen angesetzten Fuß- und
Radwegen. In diesem Falle beidseitig, nach A8 hin der durchgehende Weg
und nach A10 hin der Weg, der im Wesentlichen von Bahnbediensteten und
Schrebergärtnern benutzt wird, die zwischen die Gleise müssen oder
wollen. Alles aus 0,5 und 1,0 mm Polystyrolstreifen und -platten
zusammengeklebt, die Nietreihen habe ich mit einem Stoffmusterrad in
Papierstreifen gestanzt und diese auf die Polystyrolplatten geklebt.
Dadurch entsteht der Eindruck von vernieteten L-Profilen. Der Boden
besteht wieder aus 2 mm starken Polystyrolstreben.
Die Widerlager
haben eine Unterkonstruktion aus Sperrholz und sind mit dem
Faller-Sandstein-Mauerwerk (Pappe) verkleidet. Dieses entspricht in
seiner Ausgestaltung in etwa dem Vorbild. Die oberen Abschlusssteine
sind aus 1 mm starken Polystyrolplatten geschnitzt. Unter dem Vorfluter
führt der schmale Weg in die Schrebergärten. Ein bahnübliches Geländer
grenzt ihn zum Gleis hin ab (einer Vorbildsituation in
Mannheim-Friedrichsfeld nachempfunden). Auf der anderen Seite ist eine
kleine Straße, die beim Vorbild in ein Wohngebiet führt. Die Verlockung,
hier einfach über die Gleise zu gehen, ist groß. Deshalb der Zaun, der
aus einem feinmaschigen Netz geschnitten wurde. Die Betonpfosten sind
aus Streichhölzern geschnitzt. Die Winde (Pflanze), die sich da an einer
Stelle erdreistet hat, den Zaun zu erklimmen, besteht aus einzelnen
Kupferlitzen, die angemalt, mit verdünntem Weißleim versehen und
bestreut wurden. Die Blüten sind mit der Zahnbürste aufgespritzt.
Wo man die Natur
sich selbst überlässt, bildet sich innerhalb kürzester Zeit ein
undurchdringliches Gestrüpp. Im Detail sind das Brombeeren, Weißdorn,
Holunder, verschiedene Gräser und einjährige Pflanzen, die wir im
Allgemeinen als Unkraut bezeichnen. Sucht man nun solche Pflanzen im
Modellbahnzubehör, wird man nicht unbedingt fündig. Derweil gehören sie
an jeden Bahndamm. Von Busch gibt es unbeflockte und von Jordan
beflockte, reich verzweigte Naturzweige, die meiner Ansicht nach
realistisch wirkende H0-Bäume darstellen. Wenn man sie klein schneidet,
erhält man auch Büsche. Brombeeren habe ich aus Kupferlitzen selbst
gemacht.
Der kleine
Parkplatz auf der Aufschüttung und der Weg sind aus Fugenmörtel (Rest
von der Küchenrenovierung) gestaltet. Da hatte ich gleich die richtige
Farbe. Das wirkt realistischer als eine nachträglich angemalte Fläche.
Im Schlagloch und am Rand liegt etwas N-Gleisschotter, um die
realistische Wirkung noch zu erhöhen. Sämtliche Plattenwege und
Straßenbeläge sind aus Graupappe, bestrichen mit dünner schwarzer Farbe,
die nach kurzer Einwirkzeit wieder abgewischt wurde. Durch verschiedene
„Wischtechniken“ lassen sich Reifenabrieb und der übliche Straßenschmutz
darstellen. Das Muster der Wegplatten wurde mit dem Messer eingeritzt.
Durch die aufgebrachte Farbe kommen die Plattenabstände gut zur Geltung.
Bei den
Schrebergärten kann man sich richtig austoben. Dennoch liebe ich auch
hier eine gewisse Vorbildtreue, denn so viele interessante oder
merkwürdige oder skurrile Ideen könnte ich mir gar nicht aus den Rippen
schnitzen. Da haben wir zunächst einen reinen Obstgarten mit drei
Apfelbäumen. Diese liefert Noch in einer für Obstbäume realistischen
Höhe. Die Äpfel habe ich zum Teil mit einem hellgrünen Tupfer versehen,
denn meistens sind nie alle Äpfel gleich reif und wie hätte ich sonst
den Ravensteiner nachbilden sollen? Der 2 Meter hohe Lattenzaun soll
natürlich diejenigen von Klauen abhalten, die die Äpfel sehen, also die
anderen Schrebergartenbesitzer und die Kollegen vom Mercedes-Benz-Werk.
Er besteht aus Streichhölzern, die der Länge nach geteilt wurden (ja das
geht!). Nach Aushärten des Klebers wurde der Zaun mit graubraunem
Lösemittel gebeizt (man sollte also mit dem Kleber sorgfältig umgehen,
sonst klappt das nicht). Die Gartentür wird von Rosen umrankt,
Herstellung wie von den Brombeeren und der Zaunwinde her bekannt. Die
Wiese stammt von Heki (Vlies) und wurde partiell mit Löwenzähnen und
Mohn versehen, sehr zur Freude des Nachbarn, der eher auf englischen
Rasen steht. Dem Garten fehlen zurzeit noch Obstkisten, eine Leiter und
ein Fahrradanhänger, die sind noch in der Mache. Ein Vorbild für solch
einen hüttenfreien Garten fand ich in der Nähe von Schwäbisch Hall.
Der nächste
Schrebergärtner hat hier seine Wochenendresidenz gebaut (einem Vorbild
bei Mannheim-Friedrichsfeld nachempfunden). Zum schmalen Weg hin gibt es
natürlich kein Fenster, damit man nicht reingucken kann. An Regenwasser
wird alles gesammelt, was geht, deshalb das Fallrohr. Rechts neben der
relativ geräumigen Gartenhütte ist Platz für Brennholz, er ist gemeinsam
mit der Hütte mit einem Blechdach versehen. Im Modell besteht die Hütte
aus 1 mm starken Polystyrolplatten, das Holzfachwerk wurde aus der
Holzstrukturplatte von Kibri geschnitten. Das Blechdach ist aus 0,25 mm
starkem Aluminiumblech geschnitten und lackiert. Wenn man das Alublech
etwas roh behandelt, bekommt es ein paar Dellen, wodurch es sehr
realistisch wirkt. Der Anbau links ist mit einem (in den 1970er Jahren)
neumodischen Wellplastikglasdach versehen. Das Modellimitat davon stammt
aus dem Architekturzubehör. Die historischen Gartengeräte fand ich bei
Noch. Das ganze steht auf einem Natursteinboden von Heki. Der englische
Rasen ist von Busch (Matte). Auf den Beeten wachsen Broccoli und Rotkohl
von Busch. Der Sandkasten hat eine Streichholzumrandung und eine
Zementfüllung. Die mannshohen Hecken zum Weg (und zur Fabrik) hin
bestehen aus so genanntem Heckenschaum aus dem Architekturzubehör, das
ist ein sehr grobporiges Schaummaterial. Ich habe es wie die Brombeeren
mit grünen Streuseln beflockt. Die Tür ist eine Holztür mit
Maschendrahteinsätzen (Modell: Streichhölzer und feiner Maschendraht),
als Sichtschutz wurde außen eine Pressspanplatte drauf genagelt (Modell:
0,5 mm Polystyrol). Johannisbeersträucher bilden die Grenze zu den
Gleisen, an den Johannisbeeren arbeite ich noch.
Der dritte
Schrebergärtner ist leidenschaftlicher Hasenzüchter (einem Vorbild bei
Mannheim-Friedrichsfeld nachempfunden). Der selbstgebaute Holzstall
konnte am besten mit Streichhölzern nachgebildet werden. Die Türen
enthalten feinen Maschendraht. Dach und Rückwand sind aus Pappe. Die
Holzhütte (Modell: Holzstrukturplatte von Kibri) hat ein Wellblechdach
(Wellblechstrukturplatte von Kibri). Unter dem schräg aufgestellten Dach
ist Platz für Bauholz und sonstiges Geraffel. Im Beet stehen einige
Tomatenpflanzen von Busch, allerdings habe ich nicht die beigelegten
Spiralstangen verwendet (diese hätten beim Vorbild einen Durchmesser von
etwa 30 cm), sondern Stücke eines alten Kunststoff-Fliegengitters.
Der Holzzaun zum
Gestrüpp hin ist wieder aus dem Kibri-Imitat geschnitzt, die
Brombeerranken haben auch schon das Loch im Zaun gefunden.
Auf den Bahndämmen
wächst Heki-Grasvlies, gelegentlich steht ein kleiner Strauch aus
beflocktem Litzendraht.
Landschaftliche Ausgestaltung, Texte
und Bilder von Thomas Heintzmann
Im Juli 2008
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